Die Sitzfläche eines Bürostuhls ist der ständige Kontaktpunkt über den gesamten Arbeitstag. Ein unpassender Bürostuhlsitz macht sich früher oder später bemerkbar – oft durch Taubheitsgefühle oder Rückenschmerzen. Somit gehört die Auswahl des Sitzes zu den wichtigsten Aspekten beim Kauf eines Bürostuhls. Dieser Ratgeber hilft dir, deine ideale Sitzform zu bestimmen.
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Auf einen Blick
Checkliste
Wir erkenne ich den für mich passenden Bürostuhlsitz? Im Wesentlichen sollten Kaufinteressierte vier Aspekte beachten.
So sollte die Sitzfläche eines Bürostuhls vor allem…
- … mit den anatomischen Eigenheiten der Stuhlnutzerin / des Stuhlnutzers harmonieren (Oberschenkellänge, Hüftbreite),
- … eine angenehme Polsterhärte bieten, welche die Sensorik des Körpers jedoch nicht gänzlich unterdrückt,
- … sicheren Halt ohne übermäßige Fixierung gewährleisten,
- … das Hauptgewicht auf die Sitzbeine lenken und das Restgewicht gleichmäßig verteilen.
Der Expertenrat

Unsere Oberschenkel-Unterseiten sind recht empfindlich. Dort befinden sich Muskelstränge, das Weichteilgewebe, Blutgefäße und Nerven. Ist die Sitzmulde zu tief oder ist das Polster durchgesessen, geht zu viel Druck auf das empfindliche Gewebe aus. Gefäße werden eingeklemmt, es kommt zu Taubheitsgefühlen. Ein guter Bürostuhlsitz reduziert diese Beschwerden und fördert eine ergonomische Sitzposition. Achte auf eine druckreduzierende Polsterkontur und ggf. auch auf Funktionen wie eine Sitztiefen- und Sitzneigungsverstellung.
Ergoyou-Experte: Dr. Jens-Philipp Frieling
Infografiken zum Herunterladen
Merkzettel – Den passenden Buerostuhl-Sitz finden (PNG)Infografik – Schritt-für-Schritt-Anleitung: Den PC-Arbeitsplatz richtig einstellen (PNG|PDF)
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Größe
Kein Mensch ist gleich gebaut. Selbst Personen mit identischer Körpergröße können sich in ihrem Gesäßumfang und der Oberschenkellänge erheblich unterscheiden. Vor dem Kauf eines ergonomischen Bürostuhls sollten daher die Sitzflächen-Größenangaben (Tiefe und Breite) beachtet werden.

Sitztiefe
Die Sitztiefe ist der Abstand zwischen der Rückenlehne und der vorderen Kante der Sitzfläche. Da die Oberschenkellänge von Mensch zu Mensch variiert, sollte der Stuhl ausreichend Auflagefläche bieten. Die Fläche sollte entweder auf der Tiefenachse verschiebbar sein (Schiebesitz) oder – wenn dies nicht gegeben ist – in der Länge zum Gesäß des Hauptnutzers passen. Aufgrund des gegebenen Einstellungsspielraums verringert ein Schiebesitz das Fehlkaufrisiko.
Damit du die Größenangaben besser einschätzen kannst, hier einige Werte aus unseren Bürostuhl-Tests:
Kurzsitz (kleine Nutzer) | Mittlere Tiefe | Langsitz (große Nutzer) |
---|---|---|
38cm | 45cm | 50cm |
Sitzbreite
Die richtige Sitzbreite eines Bürostuhls richtet sich nach der individuellen Hüftbreite. Bei Menschen mit durchschnittlichem BMI liegt die benötigte Sitzbreite meistens bei ca. 42-46cm. Bei Bürostühlen für Frauen ist der Sitz i.d.R. schmaler. Zur Orientierung haben wir die Spanne der Sitzbreiten aus unserem Bürostuhlvergleich zusammengefasst.
Schmalsitz (schlanke Nutzer) | Mittlere Breite | Breitsitz (korpulentere Nutzer) |
---|---|---|
40cm | 45cm | 53cm |
Tipp: Die Sitzfläche darf wenige Zentimeter breiter sein als die tatsächlich beanspruchte Auflagefläche. Wichtig ist stets, dass das Polsterprofil grundsätzlich mit der individuellen Hüftanatomie und dem Gewicht harmoniert (also fest genug ist, Halt gibt, eine gute Druckverteilung bietet usw.).
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Einstellungsmöglichkeiten
Förderlich für eine ergonomische Sitzposition ist zum einen die passende Grundform des Sitzes und zum anderen die Anpassbarkeit auf anatomische Eigenheiten.
Schiebesitz: Schiebesitze lassen sich vor und zurückziehen. Der Sitz lässt sich so auf die Oberschenkellänge des Nutzers anpassen. Bei optimaler Abstimmung herrscht zum einen Beckenkontakt zur Rückenlehne. Zum anderen sollte ein drei Finger breiter Abstand zwischen dem Sitz und den Kniekehlen gegeben sein.

Neigungsverstellung: Die Sitzfläche eines Bürostuhls sollte (bei klassischen Polstern) leicht nach unten abfallen. Die Neigung öffnet den Beinwinkel, womit die Blutzirkulation gefördert wird. Entweder gewährleistet der Sitz diese Neigung durch seinen Polsterschnitt oder der Winkel lässt sich mittels mechanischer Sitzneigungsverstellung regulieren. Eine gewisse Griffigkeit des Bezugs verhindert bei kippbaren Sitzflächen das Herunterrutschen.

Funktionen wie Schiebesitz und Neigungsverstellung („Kippsitz“) sind nicht obligatorisch, sie erhöhen jedoch den Anpassungsspielraum und verringern so das Fehlkaufrisiko bei einem „Blind-Kauf“ online. Die Anpassbarkeit zahlt sich auch dann aus, wenn mehrere Personen denselben Bürostuhl nutzen.
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Sitzformen
Welche Sitzarten gibt es bei Bürostühlen? Viele Bürojobber fühlen sich mit der klassischen Sitzform („Flachsitz“) wohl. Der Markt bietet darüber hinaus viele andere Sitzformen, die entweder alternative Sitzpositionen ermöglichen (z. B. Sattelsitz) oder bestimmte Beschwerden lindern sollen (z. B. Orthositz). Hier die Sitzformen von Bürostühlen im Überblick:

1. Klassische Bürostühle
Flachsitz: Der Flachsitz ist das Standardprofil. Hier hat das Sitzpolster zwar keine markanten Wölbungen, ist jedoch nie vollkommen flach. Eine Neigung an der Vorderkante des Sitzes ist die Regel. Hersteller setzen zudem auf dezente Konturen (Wölbungen, Kuhlen). Diese sollen den Halt erhöhen, Druck vermindern oder zentriertes Sitzen fördern. Modellbedingt unterscheidet sich obendrein auch die Gesamtform des Sitzes von rundlich bis rechteckig.
Bei dem vermeintlichen „Standardsitz“ gibt es somit de facto eine beträchtliche Bandbreite an Polsterausformungen. Aus diesem Grund lohnt es sich, verschiedene Grundformen durch Probesitzen zu vergleichen. So findest du heraus, welche Variante des Flachsitzes für dich persönlich am besten passt.

Muldensitz: Ein Muldensitz hat im vorderen Bereich der Sitzfläche eine leichte (!) Wölbung nach oben. Die Wölbung sollte keine übermäßige Fixierung des Gesäßes bewirken. Eine zu tiefe Mulde oder ein zu weiches Polster erzeugen Druckzonen an den Oberschenkeln-Unterseiten. Um Druckzonen zu vermeiden, sollten Muldensitze einen günstigen Neigungswinkel aufweisen. Dieser öffnet den Beinwinkel und lenkt das Hauptgewicht auf die Sitzbeinhöcker.

Gerade in Tests von Chefsesseln fanden Tester viele minderwertige Modelle mit zu tiefen Sitzmulden oder zu weichen Polstern. Kurzfristig mögen diese Stühle bequem erscheinen; es entstehen jedoch zwangsläufig Druckzonen und Durchblutungsstörungen. Auch bei Gaming-Stühlen ist Umsicht gefragt. Hier wird beim Typ „Racing-Stuhl“ das Konzept des Autositzes auf eine völlig andere Sitzsituation an Schreibtischen übertragen. Da am Schreibtisch keine Fliehkräfte herrschen, ist eine Gesäßfixierung dort wenig sinnvoll.
2. Orthopädische Bürostühle
Orthopädische Bürostühle („Gesundheitsbürostühle“) richten sich an Zielgruppen mit Rückenbeschwerden oder Druckempfindlichkeit. Die Sitzformen sollen gezielt entlasten. Auch hier gibt es eine große Bandbreite herstellerspezifischer Sitzkonzepte.
Orthositz: Ein Orthositz hat eine Art Wellenform. Vorne-mittig ist der Sitz leicht erhöht mit einer Art Sattelnase. Von der mittigen Erhöhung fällt das Polster zu beiden Seiten nach unten ab. Dank der Kuhlen sollen die Oberschenkel mit weniger Druck aufliegen bzw. das empfindliche Gewebe der Unterseiten entlastet werden. Die mittige Polstererhöhung sollte beim Orthositz keinen unangenehmen Druck auf den Dammbereich ausüben.
Bandscheibensitz: Das Polster hat an der hinteren Sitzfläche eine steil ansteigende Wölbung, die den unteren Teil des Beckens (Darmbeinkamm-Region) zusätzlich zum Lendenwirbelpolster stützt. Diese Sitzform, die auch als „Contoursitz“ vermarktet wird, richtet sich an Menschen mit Rückenschmerzen im Bereich der Bandscheiben.
3. Alternative Bürositzmöbel / Aktiv-Sitzmöbel
Aktiv-Sitzmöbel sind auf alternative Formen des Sitzens ausgelegt. Der Aufbau der Sitzfläche ermöglicht aufrechte Sitzhaltungen, agileres Sitzen und fordert die Muskeln in stärkeren Maße.

Sattelsitz: Die Gesäßauflage hat eine sich verjüngende Form – vorne die Sattelnase, hinten die Sattelblätter. Die Oberschenkel fallen so stärker nach unten ab. Die Auflagezone der Hüfte ist wesentlich kleiner. Dies hat einen Aufrichtungseffekt und führt zu einer Reitersitz-Position. Die Oberschenkel haben weniger Kontaktfläche und weniger potenzielle Druckzonen. Mehr zu den Vor- und Nachteilen von Sattelsitzen im Spezialratgeber Sattelstühle.
Konvexer Sitz: Konvex geformte Sitzflächen sind vor allem bei Hockern (bzw. Aktivstühlen) ohne Rückenlehne gängig. Die Sitzfläche ist pilzähnlich nach oben gewölbt. Die Wölbung soll verhindern, dass Sitzmulden entstehen und das Becken zu sehr fixiert wird. Stattdessen wird das Körpergewicht auf die dafür vorgesehenen Knochen – die Sitzbeinhöcker – gelenkt.

Gerundete Vorderkante: Deine Kniekehlen sollten nicht auf der vorderen Sitzflächenkante aufliegen, da der Druck die Blutrückfluss in den Venen einschränkt. Aus diesem Grund ist die Vorderkante eines guten ergonomischen Bürodrehstuhls nach vorne abfallend abgerundet. Die Kante sollte also nicht nach oben gewölbt sein (dies gilt auch für ergonomische Gaming-Stühle). Die nach unten gewölbte vordere Sitzkante wird auch als „Knierolle“ bezeichnet.
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Polsterung
Hochwertige PC-Stühle glänzen nicht nur äußerlich, sondern überzeugen auch bei den „inneren Werten“. Ein Aspekt, der Qualitätsunterschiede offenbart, ist das verwendete Polstermaterial. Es sorgt für optimales Einsinkverhalten.
Härte: Neben der zu dir passenden Sitzkontur ist auch die Härte des Polsterschaums wichtig für eine gute Sitzdruckverteilung. Es sollten keine übermäßigen Druckpunkte an den Genitalien oder im Dammbereich auftreten. Die Sitzschale darf nicht durch das Polster drücken.
Namhafte Hersteller testen die Druckverteilung und Wärmeentwicklung mittels Thermoaufnahmen. In dem Beispiel kann man erkennen, dass ein minderwertiges Sitzpolster das Gewicht schlechter verteilt. In den rötlichen Zonen herrscht nach 20 Minuten bereits überproportionaler Druck bzw. eine Wärmestauung.

Tipp: Druckzonen lassen sich in manchen Fällen mit der Korrektur der Sitzhöhe bzw. Sitzneigung verringern. Wer etwa Druck im Dammbereich spürt, sollte den Sitz testweise einmal 2cm höher einstellen.
Nicht zu weich: Das Sitzpolster eines ergonomischen Bürostuhls sollte nicht zu weich sein. Es sollte die Sensorik des Beckens nicht vollkommen ausschalten. Druckempfindungen nach längerem ununterbrochenem Sitzen sind natürliche Schutzsignale des Körpers. Unser Beckengewebe und unsere Oberschenkelmuskeln sind nicht zum Dauersitzen gemacht. Zudem befinden sich an den Sitzbeinhöckern Akkupunkturpunkte, welche die Rückenmuskulatur aktivieren, was bei zu weichen Polstern nicht gelingen kann.
Art des Materials: Als Polstermaterial kommt bei Bürostühlen überwiegend PU-Schaum (Polyurethan-Schaum) zum Einsatz. Dieser steckt auch in den meisten Matratzen. Hochwertiger PU hat gute Staucheigenschaften. Das bedeutet der Schaum sinkt nur dort ein, wo er belastet wird. Ein weiters Gütemerkmal ist eine hohe Formstabilität, sprich das Polster weicht im Laufe der Nutzung kaum durch.
Weitere Füllmaterialien findet man insbesondere bei orthopädischen Bürostühlen. Hier werden etwa Gelfüllungen für Nutzer mit spezifischen Druckbeschwerden eingesetzt. Darüber hinaus gibt es Bürostuhlsitze mit Netzbespannung. Hersteller wie Herman Miller oder Sedus verwenden für einige Modelle hochentwickelte Membran-Stoffe mit Erkenntnissen aus der Medizintechnik.

Dichte des Materials (Raumgewicht): Die Äußerlichkeiten eines Polsters sagen wenig über das Stützverhalten aus. Ein Qualitätskriterium von Polsterstoffen ist das „Raumgewicht (RG)“ auch „Stauchhärte“ genannt. Das RG gibt Auskunft über die Festigkeit bzw. Dichte des Materials. Konkret sagt es aus, wieviel Kilogramm Rohmasse (z. B. Polyurethan) in einem Kubikmeter Schaumstoff im Sitzpolsterkern enthalten ist.

Tendenziell gilt hier: Je höher das Raumgewicht, desto besser sind die Verwendungseigenschaften. Bei einem Bürostuhl-Sitzpolster sorgt ein hohes Raumgewicht für ein präziseres Einsinken an den dafür vorgesehenen Auflagepunkten – speziell der Sitzknochen-Zone.
Leider findet man die Angabe des Raumgewichts bei Bürostühlen nur selten. Hier einige Beispiele aus dem Matratzenbereich. Die Werte sind allerdings nur bedingt auf Sitzpolster übertragbar.
Geringes Raumgew. | Mittleres Raumgew. | Hohes Raumgew. |
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Unter 40 kg/m³ | 50-70 kg/m³ | Über 70 kg/m³ |
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Bezug
Der ideale Sitzbezug eines Bürostuhls ist atmungsaktiv (verhindert also Wärmestauungen), strapazierfähig (Stichwort „Scheuertouren“) und im besten Fall abnehmbar bzw. waschbar.
Leder: Lederbezüge sind robust, leicht zu reinigen, haben aber auch die bekannten Nachteile: Man schwitzt auf lederbezogenen Bürostühlen schneller und hat weniger Halt. Kunstleder wird schnell spröde und kann höhere Mengen Weichmacher enthalten.
Membran: Netzstoff ist besonders atmungsaktiv. Eine billige Membran kann mit der Zeit ausleiern. Hochwertige Markenbürostühle zeichnen sich durch formbeständige Netzstoffe aus. Eine verstärkte Tragestruktur verhindert das Durchhängen des Gewebes.
Quellen
- O’Sullivan, K., McCarthy, R., White, A., O’Sullivan, L., & Dankaerts, W. (2012). Lumbar posture and trunk muscle activation during a typing task when sitting on a novel dynamic ergonomic chair. Ergonomics, 55(12), 1586-1595.
- Weston, E., Le, P., & Marras, W. S. (2017). A biomechanical and physiological study of office seat and tablet device interaction. Applied Ergonomics, 62, 83-93.